Geschichte


Im Herbst des Jahres 1925 beschlossen einige Fachkollegen auf Anregung von Prof. Dr. Rudolf KRAUS, dem damaligen Direktor des Serotherapeutischen Institutes in Wien, die Gründung einer Gesellschaft für Mikrobiologie. Nach Anmeldung bei der Vereinspolizei wurden in der Gründungsversammlung am 14. November 1925 die Statuten der "Wiener Gesellschaft für Mikrobiologie" beschlossen und ein geschäftsführender Ausschuss gewählt. Diesem gehörten als Vorsitzender Prof. Dr. Rudolf KRAUS und als Schriftführer Regierungsrat Dr. Stephan BÄCHER, Leiter des Staatlichen Seruminstituts in Wien, an. Seine weiteren Mitglieder waren die Herren Prof. Dr. Willibald WINKLER, Professor für Molkereiwesen und Landwirtschaftliche Bakteriologie an der damaligen Hochschule für Bodenkultur in Wien, Prof. Dr. Josef SCHNÜRER, Ordinarius für Bakteriologie und Tierhygiene an der damaligen Tierärztlichen Hochschule in Wien, Prof. Dr. Heinrich REICHEL und (der spätere Prof.) Doz. Dr. Max EUGLING, beide vom Hygiene-Institut der Universität Wien.

Die erste wissenschaftliche Sitzung, die sich eines zahlreichen Besuches erfreute, fand am 24. November 1925 im Hörsaal des Hygiene-Instituts der Universität Wien statt. Prof. KRAUS referierte in seinem umfänglichen Vortrag "Probleme der Virusforschung" die damalige Lehre über filtrierbare Mikroorganismen. Die Diskussion konnte erst in der folgenden Sitzung am 15. Dezember 1925 abgehalten werden. Die weiteren Sitzungen der Gesellschaft wurden monatlich abgehalten.

In den Meldungen der Gesellschafts-Ausschüsse der folgenden Jahre finden wir weitere bekannte Namen von auf verschiedenen Gebieten arbeitenden Mikrobiologen, wie etwa Prof. Dr. Roland GRASSBERGER, Vorstand des Hygiene-Institutes der Universität Wien, und aus der Verwaltung der Stadt Wien Oberstadtphysikus Dr. Viktor GEGENBAUER. Weitere Veterinär-Mikrobiologen waren Prof. Dr. Hans DAVID von der Lehrkanzel für Bakteriologie der Tierärztlichen Hochschule in Wien und Prof. Dr. Franz GERLACH, Leiter der Bundesanstalt für Tierseuchenbekämpfung in Mödling. Die Technische Hochschule Wien war vertreten durch Prof. Dr. Armin SZILVINYI, Prof. Dr. Alexander JANKE sowie dessen Frau, die Mykologin (und spätere Prof.) Dr. Margarete JANKE. Die mit der klinischen Mikrobiologie befassten Prosektoren waren durch Prof. Dr. Hermann CHIARI, Vorstand des Pathologisch-anatomischen Instituts der Universität Wien, vertreten. Als Mikrobiologen der Hochschule für Bodenkultur gehörten der Pathophysiologe Prof. Dr. Gustav KÖCK und der Milchwirtschafter Prof. Dr. Adolf STAFFE dem Ausschuss an.

Wir sehen also, dass hervorragende Fachleute verschiedene mikrobiologische Fächer im Ausschuss der "Wiener Gesellschaft für Mikrobiologie" vertreten haben. Darüber hinaus gehörten ihm aber auch noch mikrobiologisch arbeitende Kliniker an. Es seien nur die beiden Pädiater Prof. Dr. Franz HAMBURGER und (der spätere Prof.) Dr. Josef SIEGL genannt, die 1931/32 Vorsitzender bzw. Schriftführer dieser Gesellschaft waren, oder der Internist Prof. Dr. Alfred LUGER und der Dermatologe (später Prof.) Doz. Dr. H. MATRAS. Es gab also damals offenbar einen regen Austausch zwischen den im Labor arbeitenden Mikrobiologen und den Klinikern, zumindest im Bereich von Wien.

Der Sitz der Gesellschaft wechselte mit dem Dienstort des Vorsitzenden. Die Vielzahl der Fachrichtungen spiegelt sich auch in der Wahl der Vorsitzenden: zweimal KRAUSS, dann je einmal GRASSBERGER und HAMBURGER, zweimal SCHNÜRER und als letzter Vorsitzender JANKE.

Die letzte Generalversammlung fand am 20. April 1937 statt. Aufgrund der Ereignisse des März 1938 beendete die "Wiener Gesellschaft für Mikrobiologie" ihre Tätigkeit.

Auch über die Landesgrenzen hinaus waren Mitglieder der "Wiener Gesellschaft für Mikrobiologie" angesehene Wissenschafter. Bei der Gründung der "Internationalen Gesellschaft für Mikrobiologie" am 28. April 1927 in Paris unter Vorsitz des Präsidenten des "Hygiene-Komitees des Völkerbundes" war Prof. Dr. Franz GERLACH österreichisches Gründungsmitglied. Die Gründungsversammlung wählte Prof. Dr. Rudolf KRAUS einstimmig zum Generalsekretär. Das von Prof. GERLACH zusammengerufene nationale Komitee für Österreich wählte Prof. Dr. Roland GASSBERGER zum Vorsitzenden und (den späteren Prof.) Dr. Max EUGLING zum Schriftführer. Die "Wiener Gesellschaft für Mikrobiologie" trat als korporatives Mitglied dieser internationalen Gesellschaft bei.

Der Neuanfang einer unser Fachgebiet betreuenden wissenschaftlichen Vereinigung war im Jahre 1948 zu vermerken. Am 29. November fand die erste Vollversammlung der "Österreichischen Gesellschaft für Mikrobiologie" statt (also nunmehr Österreichische, nicht mehr Wiener Gesellschaft). Den Vorsitz hatte Prof. Dr. Michael EISLER-TERRAMARE, der damalige Leiter des Serotherapeutischen Instituts. Im Ausschuss waren unter anderen bei der Gründungsversammlung die drei Vorstände der Österreichischen Hygiene-Institute, nämlich Prof. Dr. Marius KAISER, Wien, Prof. Dr. Heinrich JETTMAR, Graz, und Prof. Dr. Walter HAUPTMANN, Innsbruck, vertreten gewesen. Ein weiterer Hygieniker war der (später Prof.) Doz. Dr. Alfred SCHINZEL. Dem Ausschuss der Gesellschaft gehörten von den Veterinären Prof. Dr. Fritz KRESS und von den technischen Mikrobiologen Prof. Dr. Josef KRENN, Prof. Dr. Armin SZILVINYI, Prof. Dr. Ing. Georg GORBACH und Doz. Dr. F. BERAN an.

Am 26. und 27. Dezember 1949 fand in Wien die erste "Tagung österreichischer Hygieniker und Mikrobiologien" statt.

Am 4. Dezember 1950 beschloss die Vollversammlung, dass die Gesellschaft auch das Wort "Hygiene" in den Titel aufnehmen sollte, und so hieß sie ab Dezember 1950 "Österreichische Gesellschaft für Mikrobiologie und Hygiene". Im Laufe der Zeit schien es geboten, die Verbindung zur Medizin zu betonen, und so hat Prof. Dr. Heinz FLAMM 1972 den Antrag gestellt, dass die Gesellschaft in ihren Namen die "Präventivmedizin" aufnehmen und die Hygiene als übergeordneten Begriff an den Anfang stellen sollte. Seit 1972 nennen wir uns also "Österreichische Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin" (ÖGHMP).

Eine der Hauptaktivitäten der ÖGHM und dann der ÖGHMP war und ist die Abhaltung von wissenschaftlichen Tagungen.

In den 1950er-Jahren wurde mit der "Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie" vereinbart, die Jahrestagungen der beiden Gesellschaften abwechselnd abzuhalten. Die unseren werden seither in den geraden Jahren vom jeweiligen Vorsitzenden organisiert. Es hat sich bald als sinnvoll gezeigt, diese Tagungen an das Ende der Funktionsperiode des Gesellschafts-Vorstandes zu legen. Dadurch wurde die gleichzeitige Mitglieder-Jahresversammlung mit Wahl des neuen Vorstandes und Übergabe des Vorsitzes erleichtert. In den Jahren bis zur historischen "Wende" im Kalten Krieg gaben die Tagungen der ÖGHMP den Kollegen aus der DDR, der ČSSR, aus Ungarn, Polen und Jugoslawien die Gelegenheit, mit Kollegen aus westlichen Ländern zusammen zu kommen. Dies ermöglichte einen fruchtbaren Gedankenaustausch.

Auf Grund schlechter Erfahrungen mit den bis dahin angebotenen Verfahren von Desinfektion und Sterilisation hat FLAMM am 30.11.1968 im Vorstand der Gesellschaft den Antrag gestellt, für Firmen und Einzelpersonen, die hygienischen, mikrobiologischen oder präventivmedizinischen Zwecken dienende Stoffe, Zubereitungen, Gebrauchsgegenstände und Verfahren erzeugen, in den Verkehr bringen oder anbieten, die Möglichkeit einer objektiven Feststellung der Brauchbarkeit ihrer Produkte zu schaffen. Daraufhin wurde beschlossen, einen "Gütezeichenausschuss" zu gründen, und wir hatten das Glück, Prof. Dr. Friedrich DOSCH als Vorsitzenden dieses Ausschusses zu gewinnen. Er hat ihn praktisch bis zu seinem Tod in wirklich genialer Art unter persönlichem Einsatz geleitet und sehr viele positive Neuerungen und Veränderungen eingeführt. Unter DOSCHs Führung sind sechs "Verzeichnisse der Gütezeichen der ÖGHMP" herausgekommen. Grundlage dafür waren 61 Sitzungen, die oft viele Stunden gedauert haben. Dies bewirkte eine günstige Entwicklung insofern, als im Laufe der Jahre die Krankenhäuser und auch andere Anwender dazu übergegangen sind, nur solche Präparate und Verfahren zu verwenden, die in das Gütezeichenverzeichnis aufgenommen und somit als wirksam geprüft waren. Es ergaben sich jedoch Probleme, als sich 1987, also nach 20-jährigem Bestehen dieses Ausschusses, das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten der nicht widerrufenen Reichs-Gütezeichen-Verordnung aus 1942 (!) erinnert hatte, die dem nunmehrigen österreichischen (!) BMwA die Kompetenz für die Vergabe von Gütezeichen vorbehielt. Das BMwA drohte ein Strafverfahren an, falls die ÖGHMP weiter Gütezeichen verleihen sollte. Es war der Verdienst DOSCHs, dass er in langwieriger und intensivster Beratung mit einem Notar, einem Rechtsanwalt und einem sehr interessierten Vertreter des Gesundheitsministeriums einen Ausweg in Form von Expertisen über einen Begutachtungsausschuss fand. Es werden nunmehr Expertisen aufgrund von Gutachten erstellt, welche die Erzeuger bzw. Vertreiber der vorhin angegebenen Stoffe oder Verfahren der ÖGHMP übergeben; öfters muss auch der Ausschuss zusätzliche Gutachten verlangen. Das Gütezeichenverzeichnis wurde also durch ein "Verzeichnis der Expertisen der ÖGHMP" ersetzt, das denselben Zweck erreicht. Das ganze Verfahren wurde unter enormem Arbeits- und Zeitaufwand durch persönlichen Einsatz von Frau Dr. Eleonore GAJDOSIK umgestellt, die nach zwanzigjähriger Zusammenarbeit mit DOSCH 1991 die Leitung des nunmehrigen "Begutachtungsausschusses" von ihm übernommen hatte und bis Ende 1996 wahrnahm. Die Jahre 1997 bis Ende 2000 führte Prof. Dr. Manfred ROTTER den Ausschuss, und Frau GAJDOSIK stand weiter zur Seite. Insgesamt dreißig Jahren widmete sie ihre Arbeitskraft dem Gütezeichen- und späteren Begutachtungsausschuss und beendete ihre Aufgabe mit der Vorbereitung des 3. Expertisen-Verzeichnisses, das im Feber 2001 erschien. Die weiteren Vorsitzenden des Ausschusses waren FLAMM (Dez. 2000 bis Okt. 2008) und ROTTER (2008 - 2010) sowie Prof. Dr. Günther WEWALKA seit 2010. Als Schriftführerin nach GAJDOSIK wirkte vorübergehend Frau DI. Barbara VANEK und seit Okt. 2001 die kompetent und unermüdlich für den Ausschuss tätige Frau Dr. Miranda SUCHOMEL.

DOSCH, der ja an der Krankenhaushygiene generell sowie speziell an den Verfahren der Desinfektion, Sterilisation und Reinigung sehr interessiert war, hat dafür ein Symposium in Wien begründet. Dessen besonderes Merkmal war, dass es die Fachkollegenschaft aus dem gesamten deutschen Sprachraum dies- und jenseits des Eisernen Vorhanges zusammen brachte. Nach Friedrich DOSCHs Tod am 25. Oktober 1991 führte Prof. Dr. Walter KOLLER diese Veranstaltung für die ÖGHMP als "Dosch-Symposium" weiter. Aus einem einfachen Symposium in Wien wurde im Laufe der Jahre eine dreitägige Veranstaltung in jeweils einem anderen schönen Ambiente Österreichs. Im Mai 2009 wurde das 20. Dosch-Symposium als Jubiläums-Symposium in Goldegg, Land Salzburg abgehalten.

Auf dem Gebiet der Fort- und Weiterbildung widmet sich die ÖGHMP der Krankenhaushygiene-Ausbildung: In den Jahren 1978 bis 1991 wurden Kurse für diplomiertes Krankenpflegepersonal abgehalten, die in der Folge bis zur Auflösung der Abt. 4 im Jahr 2010 an der N.Ö. Landesakademie - Abteilung für höhere Fortbildung in der Pflege in Mödling weitergeführt wurden. 1980 wurde ein analoges Ausbildungsprogramm für die Aus- und Fortbildung der sogenannten hygienebeauftragten Ärzte in Wien etabliert, das zur Grundlage für das Fortbildungs-Diplom Krankenhaushygiene der Österr. Ärztekammer wurde. Diese Kurse wurden in der Folge unter der fachlichen Leitung der ÖGHMP in jeweils vier Teilen an den Standorten Wien (FLAMM, KOLLER, WEWALKA und ROTTER), Linz (Prof. Dr. Helmut MITTERMAYER), Innsbruck (Prof. Dr. Manfred DIERICH und Prof. Dr. Cornelia LASS-FLÖRL) sowie Graz (Prof. Dr. Egon MARTH und Prof. Dr. Andrea GRISOLD) durchgeführt. Seit 2010 wird dieses Ausbildungsprogramm von Prof. Dr. Cornelia LASS-FLÖRL koordiniert. 2012 erfolgte die Neustrukturierung in jeweils 5 Kursteile an den Standorten Wien (Univ.-Prof. Dr. Elisabeth PRESTERL), Linz (Univ.-Doz. Dr. Petra APFALTER), Innsbruck (Univ.-Prof. Dr. Cornelia LASS-FLÖRL) sowie Graz (Univ.-Prof. Dr. Andrea GRISOLD) und Salzburg (Dr. Markus HELL).

Auch für die Ausbildung zum Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie und für die im Jahr 2000 eingeführte Facharztprüfung lieferte die ÖGHMP wichtige Grundlagen. KOLLER organisierte die ersten Prüfungstermine und die Gestaltung der Aufgaben für die strukturierte mündliche Prüfung. Als der Österr. Ärztekammer assoziierte Fachgesellschaft führt die ÖGHMP seither die fachliche Aufsicht für den Prüfungsausschuss 2 der Österr. Ärztekammer, der für die Sonderfächer Hygiene und Mikrobiologie, Virologie, Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin sowie Sozialmedizin zuständig ist.

Verfasser

Univ.-Prof.Dr.med.Dr.med.h.c. Heinz FLAMM, ML

Martinstraße 7
A - 3400 Klosterneuburg

Univ.-Prof. Dr.med. Walter KOLLER
Martinstrasse 26
A - 1180 Wien